Brauchen die Streicherenten Streicheleinheiten?
Steckt eine unserer beliebtesten Entenrassen tatsächlich in der Krise? Die rückläufigen Zahlen auf den Ausstellungen, lassen sich zum einen mit dem allgemeinen Rückgang der Zuchten seit der H5N1 Hysterie in der SV-Statistik belegen. Weit mehr jedoch stimmt mich das etwas zögerliche Ausstellungsverhalten der Züchter nachdenklich. In Zusammenarbeit mit namhaften Züchtern wurde der Standard neu gefasst und beschreibt uns die Streicherenten heute in all ihren Feinheiten. Gut so!!! Jedoch hat inzwischen auf leisen Sohlen eine wahre „Detailverliebtheit“ eingesetzt die sich zum einen in der Bewertung, aber auch ergo bei den Züchtern eingeschlichen hat – warum? Unsere Streicherenten sind heute kein Deut schlechter als sie es gestern waren. Es lässt sich nun mal nicht alles in einer Zuchtperiode verbessern – steter Tropfen höhlt den Stein. Sie stehen 2008 beim SV der Entenzüchter als Entenrasse im Blickfeld. Eine ausgezeichnete Gelegenheit Werbung mit und für die Rasse zu betreiben – gefördert mit extra Leistungspreisen des SV.
Streicherenten sind sehr agil, die wenn geboten ihren Auslauf bis in den kleinsten Winkel gerne nach verwertbarem Kleingetier absuchen. Aufgrund ihres nahen Verwandtschaftsgrades zu den Laufenten bleiben auch in der Legeleistung keine Wünsche offen. Dass sie mit ihrem Farbbild (silber-wildfarbig) jeden Betrachter faszinieren ist unbestritten, sowohl die Erpel als auch die Enten. Streicherenten sind wahre „Allrounder“. Sie bieten was fürs Auge, was für den Kochtopf, machen sich wenn gewünscht als Schneckenpolizei einen Namen, legen gut und brüten noch recht gerne selbst, also wirklich ein kleines „Multitalent“. Sie stammen übrigens aus England und nicht wie vereinzelt angenommen aus Deutschland. Zu uns sind sie um 1920 über Dänemark gekommen und durchlebten in den Nachkriegsjahren recht schwere Zeiten. Stimmen die Angaben in der Literatur so feiern die Streicherenten 2008 ihren 100 jährigen Geburtstag. Arthur Wulf schrieb 1934 im Garten und Kleintierhof folgendes: In einer englischen Zucht von Khaki-Campbellenten fielen 1907 einige weiße Tiere, die mit weißen Läufern gepaart wurden. Die Nachkommenschaft fiel aber nicht weiß sondern in der aufgehellten Wildfarbe. Dem zu Folge haben die ersten „Streicherenten“ 1908 das Licht der Welt erblickt.
Das Wort Krise klingt hart und ruft nach erdrutschartigen Veränderungen – die wir beileibe bei den Streicherenten gar nicht brauchen. Das Mango liegt in der Größe, da tanzen einige recht deutlich aus der Reihe. Farblich wurde enorm viel geleistet, ich denke da im Besonderen an die Kopffarbe der Enten, aber zu Lasten der Größe – so hat es jedenfalls den Anschein. Was fehlt sind volle Reihen mit diesen lang gestreckten Pfundskerlen und ihrer Walzenform und den wohlproportionierten Damen die ein wenig tiefer stehen als die Herren, jedoch ebenso lang sein sollen. Nicht dass es diese nicht mehr gäbe, keineswegs aber der Masse fehlt es eben einfach an Masse.
Auch bei den Streicherenten gilt – zuerst Form und Größe dann die Farbe. Als direkte Abkömmlinge der Campbellenten gleichen sie sich deren Form an, sind aber sichtlich ruhiger im Wesen. Mittelschwer sollen sie sein – 2,5kg darf der Erpel und 2kg die Ente auf die Waage bringen. Die Frage bleibt: ist dem auch so? Die Läufe sind deutlich hinter der Körpermitte eingesetzt und mit ihrer leicht aufgerichteten Haltung wirken sie gestreckt im Rumpf. Hochbrutflugentenverschnitt, also Läufe in der Körpermitte gepaart mit waagrechter Haltung kommen bei den Streicherenten auf keinen grünen Zweig. Dass sie immer wieder den Silberwildfarbigen Laufenten Pate stehen ist farblich sehr sinnvoll, jedoch gehört dann die F1 Nachzucht verstärkt in den Zuchtstamm und nicht in den Käfig. Der Schnabel mittellang, Kopf leicht gerundet. Im Hals anmutig gebogen der zum Körper hin kräftiger wird. Fleischig voll wird die Brust verlangt – dem ist leider nicht immer so. Da schaffte es doch einer vor ein paar Jahren Streicherenten einen Kiel anzumästen, von füttern darf man da nicht mehr reden. Am schönsten wirken die Streicherenten, wenn die Brust ein wenig vorspringt und so bereits vorne an ein guter Grundstock zur entsprechenden Gesamtlänge gelegt wird. Die Bauchpartie ist glatt, rund nicht ausgesprochen voll, aber dafür bringt das leicht dunkle Brustfleisch jeden Entengourmet zum schwärmen. Im Spätherbst sehen wir der Ente einen kleinen Legebauch nach, denn irgendwo müssen die weißlich bis grünen Eier ja bevorratet werden. Im Rücken lang und genau im Bereich der Schultern beginnt eine leichte Wölbung, liniengerade Rücken lassen den Rumpf flach und leer erscheinen. Die Flügel fest und gut geschlossen getragen. Die Schwanzhaltung folgt der Rückenlinie, nur der direkte Stoß bleibt waagrecht. Für den Betrachter kaum sichtbar sind die Schenkel im dichten Weichengefieder versteckt. Mittellange Läufe tragen den Körper. Mit der Ringgröße 15 für beide Geschlechter sind sie schon fast feinknochig unterwegs.
Ein Blickfang sondergleichen bietet das imposante Farbspiel der Streicherenten. Silberwildfarbig, so die Standard gerechte Farbbezeichnung. Sie stellt derzeit die stärkste Aufhellung der Wildfarbe. Die Herren dieser Klasse zeigen uns einen schwarzen Kopf mit metallisch grünem Glanz. Geschlossener weißer Halsring von angemessener Breite ist Pflicht. Er sollte den Hals gerade umschließen, es wirkt deutlich unschön wenn er hinten nach unten ausläuft – dann trudeln auch die Enten mit ihrer braunen Halsfarbe nach unten weg. Breite und Verlauf des Halsrings lassen sich züchterisch bearbeiten und festigen – wer dazu Schere und sonstige Utensilien benötigt kann viel über Schaustyling erzählen – unverschämt bleibt unverschämt. Brust, Hals und Nacken sind rotbraun mit silberweißer Säumung. Gewünscht wird dieses saftig, frische dunkle Rotbraun der Rosskastanie.
Bei dem Stichwort Kastanie fällt mir folgendes ein. So ein Bündel der verschiedensten Federn macht sich gut als ergänzendes Bastelmaterial, wenn im Herbst die Kastanien in Kindergärten und Grundschulen auf der Tagesordnung stehen. Da lässt sich doch bestimmt was über Kinder oder Enkelkinder arrangieren – zuerst die Federn, dann die lebenden Tiere. Öffentlichkeitsarbeit bietet ein breites Spektrum zur Betätigung.
Zurück zu den männlichen Streicherenten, bei denen die Säumung eigentlich proportional zur Federgröße zunimmt. Die Säumung muss die Feder vollkommen umschließen. Bauch und Weichengefieder leuchten silbrig bei kräftig rahmweißem Grundton. Die rotbraune Brustfarbe läuft manchmal stärker manchmal etwas weniger in die Flanken aus. Wie auch immer, aber steht´s mit silberweißer Säumung. Werden Erpel ohne Flankenzeichnung vorgestellt – gehen sie auch ohne Preis nach Hause. Was die Erpel nicht haben können auch die Enten nicht zeigen und da wollen wir doch eine aparte Flankenzeichnung haben. Zeigen bereits junge Erpel rotbraune Flanken mit dunklen Tupfen im Federinnenfeld, wie wir es eigentlich nur von Sommerruhekleid her kennen, muss dies klar als Mangel deklariert werden. Unterrücken silbergrau mit dunklen Tupfen und weißer Säumung. Bürzel und Schwanz nahezu Schwarz, so ein bisschen Säumung stört niemand – oder? Zumal die Locken schwarz bis leicht meliert gestattet sind. Ich würde mir im Standard den Zusatz wünschen: Schwanzstoßgefieder schwarzgrau. Hier ist kein Erpel der Streicherenten schwarz und in allen abgeleiteten Farbenschlägen der Wildfarbe und selbst dort ist das Stoßgefieder immer heller als Rest des Bürzels. Ausnahme bilden die Erpel der Rouenenten. Im Grundton sind die Flügel grauweiß gemischt mit hellem Saum und grün oder blau glänzenden Spiegeln. Jetzt kommt eine Rasse eigene Finesse: Die vordere Spiegeleinfassung besteht aus schwarzen Federn von den jede weiß gesäumt ist. Also kein schwarzes und dann weißes Band. Den hinteren Spiegelabschluss bildet dann wieder nach dem glänzenden Feld zuerst ein schwarzer dann ein weißer Streifen. Schnabelfarbe sattes weidengrün, mal heller mal dunkler, das brauchen wir nicht kommentieren, aber mit dunkler Bohne. Gelbe Schnabeleinfassungen und sichtbar gelbe Unterschnäbel lassen die Noten in den Keller purzeln. Lauffarbe orange, diese muss gar nicht so leuchten wie bei den Pekingenten, eher etwas matter gehalten.
Für den einen ist die Farbe Erpel das non plus ultra, für mich persönlich rangieren die Enten noch etwas weiter vorne. Bei ihnen herrscht eine rahmweiße Grundfarbe vor. Kopf und Oberhals nehmen sich davon aus und sind bis zur Linie eines gedachten Halsringes kräftig ledergelb. Im Standard steht satt bräunlich gelb – auch gut. Möglichst auf Stirn und Oberkopf begrenzt zeigt sich eine dunkelbraune fast schwarze Strichelung. In diesem Satz ist jede Menge Luft für Preisrichter und Züchter. Natürlich wer da sein Köpfchen im feinsten ledergelb präsentiert, jedoch an Wangen und Hals ebenfalls Strichelung zeigt, präsentiert sich nicht mehr zeitgemäß. Da wurden vor zehn Jahren noch Zugeständnisse gemacht, heut nicht mehr – der Züchterarbeit sei Dank. Vergangen sind die Zeiten deutlich sichtbarer Augenzügel – so manch englische Züchter beneidet uns. Obere Brust, Unterhals, Schultern und Rücken, Flanken und Schwanzkeil (der sitzt unten) sind leicht braunschwarz gestrichelt. Fassen wir diesen Bereich zusammen und beschreiben den Rest, dann bleiben nur untere Brust und Bauchgefieder ohne dunkle Strichelung. Dass diese mal etwas breiter oder schmaler ausfällt liegt in der Natur der Sache, wenn wir Nervzeichnung suchen müssen ist das zu wenig, wenn wir grobe Tupfen antreffen ist das zu viel. Unterrücken und Flügeldecken gelbgrau mit dunklen Tupfen (hier sind Tupfen erwünscht) und weißer Federsäumung. Bürzel kräftig braun gefleckt – entscheidet dieser Satz über Sieg oder Niederlage? Ein klares Jein! Dazu muss ich etwas weiter ausholen, denn Streicherenten durchleben mehrere Farb-Phasen im Jahr. Sie beginnen mit feiner Strichelung nennen wir es einmal im Mantelgefieder und schwarzbraunem Bürzel mit heller Säumung. Dann folgt die so genannte Hochzeitsphase mit der gewünschten Stärke an Strichelung und dem braunen Bürzel. Mit zu nehmenden Alter verstärkt sich die Strichelung, sie wird kräftiger jedoch verblasst die Bürzelfarbe bis wir auch dort das Rahmweiß mit dunkler Strichelung vorfinden. Das kann und will man gar nicht alles in einem Standardtext zusammenfassen und beschreiben. Beschrieben wird das schönste Federkleid, also das Hochzeitskleid, dies dient uns als Richtschnur und Wertung für die Punkteskala. Wer am Anfang der Schausaison noch schwarz im Bürzel hat ist zu früh dran, wer rahmweiß kommt ist bereits zu spät dran. Ab St. Nikolaus noch einen Braun gefleckten Bürzel präsentieren zu können zeigt von hohem züchterischem Können und bringt volle Punktzahl. Dem „hellen“ Rest fehlt dann leider ein Pünktchen in der Addition. Das ist einer hohen Note keineswegs abträglich, wenn sonst alles passt ist ein HV immer noch drin. Spiegel blau-grün schillernd mit der Einfassung wie beim Erpel beschrieben. Schwingen gelblich weiß mit deutlichen Graueinlagerungen. Schwanzstoßfedern hellbraun. Die Lauffarbe wurde neu gefasst in braungrau bis dunkelbraungrau. Mit graugrün wird die Schnabelfarbe angegeben. Das ist in Ordnung denn mit zunehmender Legetätigkeit variiert diese. Über einen Zusatz mit dunklem Sattelfleck sollten wir mal nachdenken.
Zusammenfassend sei gesagt, dass wir in der Beurteilung der Farbe, sowohl beim Erpel als auch bei der Ente und dort besonders, nicht eine Detailverleibtheit verfallen sollten. Wer suchet der findet, wer viel sucht wird viel finden. Was stimmen muss ist Form und Größe, das hat Vorrang und dann kommt die Farbe. Das muss und soll sich auch auf der Karte ausdrücken. Z. B.: …farblich hervorragendes Rassetier wenn mehr Größe dann höhere Note. Wir sind weit entfernt Trübsal blasen zu wollen oder gar zu müssen, dafür stehen dieser Rasse genügend versierte Züchter zur Seite, welche diese wieder aus diesem „Größentief“ herausführen werden ,da bin ich mir ganz sicher. Aber und das sei auch gesagt, gemeinsam tut man sich da leichter. Im Dialog bleiben – Züchter und Preisrichter – das Machbare zeigen und das Machbare fordern, steht´s auf den derzeitigen Zuchtstand bezogen und der ist äugt man auf die Tiere im Ausland, oder im Mutterland der Rasse, bei uns sehr hoch angesetzt. Dank der breiten Basis und den Züchtern die wenn einmal von dieser Rasse infiziert, sie meist ein Leben lang begleiten. An Zucht und Haltung stellen die Streicherenten keine besonderen Ansprüche. Eine Zuchtstammgröße von 1,4 bis 1,5 ist durchaus möglich. Die Züchter müssen selbst abwägen ob es nicht sinnvoller ist die Zuchtstämme kleiner zu gestalten und dafür einen Stamm mehr zu halten. Da gibt es keine Faustformel, das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren, welchen Weg man dabei einschlägt ist zweitrangig. Wie bereits angeführt legen die Streicherenten recht gut und ihre Legeleistung wird mit 70 Eiern angegeben. Wer frühe Schauen beschicken möchten ist gut beraten, die ersten Eier künstlich zu erbrüten. Für die späten Schauen im Dezember, sollte man den Enten das Mutterglück gönnen und Naturbrut ansetzen. Durchgemauserte Erpel halten ihre Pracht über Monate, wie bereits erfahren ist das bei den Enten zeitlich, na ich würde sagen 3-4 Wochen begrenzt. Also gleich mehrere Bruten einplanen, sie gestalten den Ausstellungskalender flexibler. Die quirligen kleinen Küken mit ihrem grauen Überzug auf gelben Flaum sind im Allgemeinen recht frohwüchsig. Auch sie nutzen bei guter Witterung den ihnen gebotenen Auslauf gerne. Es gibt Züchter, die erkennen bereits beim ersten Federschub am Kopf die Geschlechter – meistens jedenfalls. Es gilt den Zuchtstamm sorgfältig auszuwählen und bei allen Farbfeinheiten, das A und O nämlich die Größe nicht zu vergessen.
Saubere Badegelegenheiten gehören in die Grundausstattung jedes Wassergeflügelzüchters. Die Wasserqualität ist entscheidend, da rangiert die vorhandne Quantität erst an zweiter Stelle. Bei Temperaturen von über 25°C kommt es zu einer stark verminderten Aufnahme – also in den Sommermonaten darauf achten, dass ausreichend kühles Trinkwasser gereicht wird. Leckerbissen wie Salat oder Entengrütze werden mit Heißhunger vertilgt, ebenso wie jegliches Kleingetier im Auslauf. Erst mit Abschluss der letzten Mauser trennt sich endgültig die Spreu vom Weizen. Die prüfenden blicke des Züchters und des Preisrichters mögen nicht immer dem gleichen Blickwinkel zu Grunde liegen, wichtig ist es das „Gesamtwerk“ Streicherente zu beurteilen. Dazu gehören an erster Stelle Größe und Form und erst dann die Farbenpracht. Streicherenten inspirieren und faszinieren jeden Betrachter. Ihr Zuchtstand ist hoch und ihre züchterische Basis gesichert. Es wäre wünschenswert, diese Basis weiter auszubauen und breiter zu gestalten. Je breiter die Basis, desto einfacher ist es Zuchttiere auszutauschen ohne in den selben Linien bleiben zu müssen. Mögen durch diese Zeilen viele neue Züchter den Weg zu unseren Streicherenten finden.
Paul-Erwin Oswald
Über den Author: Erzüchter der Altrheiner Elsterenten, Author zahlreicher Fachartikel zur Geflügelzucht und von 2007 bis 2024 Vorsitzender im Sonderverein der Entenzüchter Deutschlands e.V.
Seit Sommer 2024 weiterhin als Ehrenvorsitzender für den Verein tätig.