2012 – Rouenente

Die Rouenenten – Entenrasse im Blickfeld 2012

Spricht man bei den Entenrassen gemeinhin von der Rouenente, so man muss man eigentlich direkt hinzufügen von der englischen Zuchtrichtung dieser Varietät. Also von den großen Enten mit Kiel und dieser, nur ihr eigenen edelsten Form der Wildfarbe unserer Enten. Dies trennt sie klar von den gegenüber der Wildfarbe bedeutend heller gefärbten Rouen-Clair Enten, so zu sagen der französischen Zuchtform der Enten aus Rouen. Für eingefleischte Entenzüchterinnen und – züchter mag dies eine Selbstverständlichkeit sein, für Laien der Entenzucht aber ist die Erklärung sicher wichtig und Voraussetzung, das Eine vom Anderen unterscheiden zu können.

Die Geschichte der Rouenenten geht zunächst weit zurück und wird bis ins 16.Jahrhundert zurück- datiert. Belegen lässt sich diese These nur schwer, jedoch ist es durchaus denkbar, dass Bauern in der Normandie um diese Zeit bereits begannen, Wildenten auf ihre Größe hin zu selektieren. Ein gewisser Bartas erwähnte in seinem Gedicht von 1578 über die Gegend der Bretagne auch Enten von stattlicher Größe. Rouen, die an der Seine gelegene Hafenstadt, prädestiniert sich geradezu als Handelsstadt zwischen Frankreich und England. So kamen wohl auch die ersten Rouenenten als Passagie- re englischer Handelsschiffe auf deren Rückweg nach England. Bereits 1800 – 1810 soll dies der Fall gewesen sein. Groß und langgestreckt waren die Tiere schon zu dieser Zeit. In Frankreich legte man keinen großen Wert darauf, Wildfarbiger Erpel mit schönem Spiegel , Perlfeld und Kiel eine als eigenständig zu bezeichnende Rasse zu festigen. Jedoch hielt man weitestgehend immer an der Wildzeichnung fest. Ganz anders war dies in England der Fall. Das Fleisch der Rouenenten war dunkler, aber ebenso schmackhaft und zart, wie dies der englischen Vorzeigerasse, den Aylesburyenten. Neue Besen kehren gut, so sagt es uns ein altes Sprichwort und vielleicht mag es sich auch damit begründen, dass die Rouenenten in England doch sehr gut Fuß fassten und namhafte Züchter sich mit ihr beschäftigten. Um 1840 bis 1850 trat die Rouenente in England so richtig auf den Plan und der Kiel wurde ihr charakteristisches Attribut, neben der Wildfarbe, sei mit angemerkt.

Über England kam die Rouenente dann 1876 nach Deutschland. Paul Doll nennt uns Carl Samuel in Soest als den ersten Züchter dieser Rasse. Sicher ist, dass die Rouenenten um 1900 in die Züchterwerkstatt von Franz Radetzky Einzug hielt und dann später auch von Hermann Radetzky in exzellenter Weise weiter gezüchtet und verbreitet wurde. Einen treuen Züchterstamm konnte die Rouenente immer ihr eigen nennen. So überlebte sie auch die Wirren der Kriege in kleinen, aber man möchte sagen, feinen Stämmen. Waren sie Mitte des 20. Jahrhunderts auf jeder großen Schau vertreten, so musste man sich kurz vor und kurz nach der Jahrtausendwende schon mit einem gewissen Seltenheitswert der Rasse auseinandersetzen. So möchte ich an dieser Stelle meinen Hut ziehen vor all dem, was die Züchterinnen und Züchter hier in Gang brachten. Ein in voller Blüte stehender Zuchtstand ist eindrucksvoller Beleg dafür, was man leisten kann, wenn man zusammensteht und dies auch leisten möchte. Über 90 Tiere bei der VHGW-Schau 2010 in Erfurt – es war eine nimmer endende Augenweide an wirklich sehenswerten Rouenenten.

Die Rouenenten zeigen den für eine Fleischrasse typischen Rechteckschnitt. Meist sind die Erpel noch einen Tick länger als die Enten. Bei waagrechter Haltung ist der Rumpf lang und angemessen breit. Nicht so schmal wie bei den Aylesburyenten und nicht so breit wie bei den Amerikanischen Pekingenten. Im Rücken lang und leicht gewölbt. Mit Argwohn werden zu lose getragene Flügel bedacht. Die Flügel müssen nun mal den Rücken abdecken. Wer die Flügel wie ein Kuckuck in der Balz hängen lässt wird zusehends Punkte verlieren. Sanft tritt die Brust ein wenig hervor und setzt sich ohne merklichen Übergang im Kiel weiter fort. Der Kiel (eine Hautfalte) verläuft somit von der Vorderseite des Halses über die Brust bis unter den Bauch und findet vor, bzw. an dem gut gefüllten Hinterteil seinen Abschluss. Der Kielverlauf muss gerade und mittig am und unter dem Körper verlaufen. Der Kiel darf in der Bewegung keinesfalls den Boden berühren. In der Ruhehaltung ist dies jedoch eine Selbstverständlichkeit. Merke: zerschlissene Befiederung am Kiel ist immer ein aussagekräftiges Anzeichen, dass die Rumpfhaltung zu tief ist. Wer tipp topp sein Bauchgefieder präsentieren kann, der hat den richtigen Stand und geht ohne Tadel nach Hause. Dem Körpervolumen Rechnung tragend ist der Kopf groß, länglich gerundet mit wenig ansteigender Stirn. Also kein steiler Anstieg hinter dem Schnabel, sanft geht es in die Rundung! Im Standard steht wenig Backen, dem ist nichts hinzuzufügen. Die Augen rund, lebhaft und dunkel. Der Schnabel lang, breit mit leicht konkaver Firstlinie. Beim Erpel etwas größer veranlagt als bei der Ente. Die Herren in olivgrün mit schwarzer Bohne. Kleine dunkle Flecken um die Nasenlöcher stören niemand. Anders die Damen, sie zeigen uns ein braungelb mit schwärzlich, dunkler Sattelzeichnung. Diese kann und darf sich zur Legezeit weiter ausdehnen. Bohne ebenfalls schwarz. Der Hals mittellang und leicht gebogen. In der Kehle frei, ohne Wammenbildung mit schöner Rundung in den Vorder- hals übergreifend. Am Rumpf wird die muskulöse Veranlagung vom Farbspiel der Wildfarbe über- lagert. Einfarbige Tiere lassen dies deutlich besser erkennen. Die kräftigen Schenkel sind gut im Weichengefieder versteckt. Starke Knochen haben sie allemal – Beleg dafür die Ringgröße 18 für beide Geschlechter. So richtig kommt die Länge der Rouenenten erst mit einem waagrecht getragenen Schwanzgefieder zur Geltung. Das ist für mich der gewisse Pfiff, welchen ich nicht missen möchte. Lauffarbe beim Erpel orangerot, bei der Ente blassrot bis blassorange würde ich sagen. Zehennägel immer dunkel!

Wir wissen alle: zuerst kommt die Form und dann der Rest. Hier sind Zugeständnisse gänzlich fehl am Platze! Kurze gedrungene Entlein können durchaus den Auslauf bereichern, aber nicht einen Ausstellungskäfig. Auch- und gerade- eine so große und kräftige Ente wie die Rouenente, lebt von ihrer voluminösen Grazie und ästhetischen Eleganz. Derbe, grobe Köpfe, überproportionale Rumpflängen, unbedeckte Rücken, hängende Hinterpartien stören das harmonische Gesamtgefüge dieser Rasse und drücken die Noten. Weiterhin kommt ein Fingerzeig in Richtung Schnabelhöcker – noch lange kein Schnee von gestern! Löffelschnabel ist ein schweres Wort, wer darauf achtet muss es nie benutzen. Sehr selten fehlt auch schon mal der Kiel – was soll das denn jemals wer- den? Das Erpelgewicht von 3,5kg und die Enten mit 3kg sind gut bemessen. Sollte es etwas mehr sein, dann ist es eben so! Bitte auch das Mindestgewicht der Bruteier von 80 Gramm beachten. Nur aus großen Eiern können große Küken schlüpfen.

Keine andere Rasse stellt uns die Wildfarbe in dieser Vollendung vor wie die Rouenenten. Die Hochbrutflugenten kommen der Sache sehr nahe – weiter so! Der Kopf und Hals des Erpels schillert in feinstem Grün. Je nach Lichteinfall auch blaugrün. Am unteren Drittel des Halses sitzt ein schmaler, hinten offener, weißer Hals- ring. Dieser soll scharf umrissen sein. Bei dieser Ente setzt Zeichnung und Grundfarbe im Flügel vor dem Spiegel zu stark ab. Dies gilt als Fehler. Da gibt es schon ab und an Kritik zu üben. Am Ende darf der Halsring nicht ausfransen, das stört. Die Brust wird schokoladen- oder rotbraun verlangt. Auch sie sollte sich sauber ab- grenzen. Ohne Säumung wohlgemerkt! Flanken, Schenkel und Bauch bis zum Schwanz sind gleichmäßig silbergrau geperlt. Je gleichmäßiger der Farbverlauf, desto edler sind die Tiere anzusehen. Setzt sich die Perlfarbe vor dem dunkel gefärbten Schwanz mit einem weißen Band, dem sogenannten Afterweiß ab, so drückt dies die Note. Der Rücken im dunkelsten Braun bis zum Schwanz in schwarz übergehend. Auch der Stoß ist bei den Erpeln der Rouenenten ebenfalls dunkel (edelste Form der Wildfarbe). Bei allen anderen wildfarbigen Farbenschlägen unserer Entenrassen setzt dieser heller ab – und nur dort! Locken schwarz, grün schillernd. Locken, das können zwei, das können auch fünf sein. Wir zählen da jedenfalls nicht nach. Die Flügeldecken schön silbergrau so beben ins bräunliche übergehend. Dort dürfen die Farben nicht zu dunkel – sprich „rußig“ werden. In der Flügelmitte sitzt ein, der Größe der Ente angepasster, Spiegel von blaugrüner Farbe. Vorne und hinten zuerst mit einem schwarzen ,dann mit einem schmalen weißen Band eingefasst. Wie ein Peitschenschlag sollen sich die Bänder scharf abgrenzen. Besonders bei den Blau-wildfarbigen achten wir auf eine glatte Spiegelfeder. Die Ente zeigt einen mittelbraunen Kopf – mit minimalen dunklen Zeichnungsansätzen. Leichte Zügelaufhellung ist gestattet. Haben muss man sie nicht! Wer dort weiß blitzt bekommt Strafpunkte. Der Hals wirkt auf Grund der Federstruktur etwas heller. Rücken, Brust, Flanken und Bauchgegend saftig goldbraun, mit klarer und scharfer, braunschwarzer, hufeisenförmiger Zeichnung, welche an der Brust beginnt. Ich möchte das Augenmerk auf goldbraun in der Grundfarbe richten – es heißt braun und nicht gelb! Also den Zusatz gold keinesfalls ins Unendliche ausdehnen. Zurück zur Zeichnung. Die Federmitte um den Kiel ist braun und wird hufeisenförmig, braunschwarz eingefasst. Mit zunehmenden Abstand folgen ein braunes und darauf ein braunschwarzes und als äußeren Abschluss wieder ein saftig gold- braunes, hufeisenförmiges Band. Da wir die Farbfolge zweimal haben, sprechen Insider von der doppelten Hufeisenzeichnung. So wird die Zeichnung einfach auf den Punkt gebracht. Wer diese Zeichnung bis auf die großen Deckfedern an Rücken und Flanken bringt, rangiert ganz vorne in der Wertung. Ich denke die Ansprüche sind hoch anzusetzen, denn perfekt gezeichnete Tiere sind durchaus anzutreffen. Generell jedoch bedarf es gerade bei diesen Federbezirken noch weiterhin der Zucht und Auslese. Am Unterrücken und Oberschwanz kann das Braunschwarz zuweilen grün schimmern. Das ist eben so und bedarf keinerlei Kommentierung. Spiegel wie beim Erpel!

Seit Mitte der 80ziger Jahre des 20. Jahrhunderts stellte Helmuth Bethmann den Blau-wildfarbigen Farbenschlag vor und bracht diesen auch zur Anerkennung. War er lange Zeit Einzelkämpfer bei dieser Farbe, so gesellten sich in den letzten fünf Jahren versierte Züchter um ihn und brachten die Blau-wildfarbigen zu bis dahin kaum vorstellbarer Blüte. Sie stehen heute den Wildfarbigen weder in Größe und Rumpfvolumen noch in der Perfektion der Zeichnung bei den Enten in nichts nach. Gottlob möchte ich da hinzufügen. An Stelle von Braunschwarz und Schwarz tritt hier ein sattes Blau. Kein lichtes Taubenblau sondern das Blau der Gimbsheimer Enten gilt als Richtschnur. Manche haben es mit Sachsen x Rouen probiert andere mit Gimbsheimer x Rouen. Beides führt zum Erfolg. Die Thematik der rauen Spiegel bei den Blauvarianten unserer Enten macht auch vor den gewaltigen Rouenenten keineswegs halt. Wer es nicht hat liegt vorne, das ist klar. Sonst sind wir mit dem gewissen Fingerspitzengefühl gut beraten. Sorgfältig abwägen zwischen Toleranz auf der einen Seite und Strafe, wenn es denn wirklich als Mangel anzusehen ist.

Beide Farbenschläge und beide Geschlechter müssen ein straff anliegendes Gefieder zeigen. Es ist trotz der enormen Größe bedeutend fester als wir es von den Aylesburyenten kennen. Ein entsprechendes Federwerk bedarf der entsprechenden Pflege. Wasser ist für Enten Lebenselixier, auch für die Rouenenten. Trockenhaltung ist gänzlich zu verwerfen – wir sprechen schließlich von Wassergeflügel! Saubere Badegelegenheiten sind wichtig und gehören zum täglichen Kontrollgang des Züchters. Schwimmwasser erleichtert den Erpeln den Tretakt – bei kleinen und großen Rassen gleichermaßen. Eine Zuchtstammgröße von 1,2 bis max. 1,3 ist angemessen. Rouenenten sind genügsame Gentleman unter unseren Entenrassen. Sie lassen sich bei entsprechender Pflege auch auf kleinem Raum züchten und halten. Ich denke da nicht an eine 5m2 Voliere sondern an einen Stall mit 1m2 Grundfläche je Tier, einer Badegelegenheit und einem entsprechend gestalteten Aus- lauf. Ausgedehnte Wiesenflächen werden selbstverständlich auch von den Rouenenten zur Aufnahme von Schnecken und jeglichem Kleingetier gerne genutzt. Üppige Leger und Brüter sind die Enten der Rouen leider nicht. So empfiehlt sich schon aus diesem Aspekt heraus die Kunstbrut. So kann der Schlupf der Küken zeitiger erfolgen und die kleinen quirligen Racker haben Zeit sich zu entwickeln. In der Aufzucht und späteren Haltung sollte auf eine ausgewogene sättigende Ernährung geachtet werden. Wir füttern satt – Mastgeflügel, für Rassegeflügelzüchter ein Unwort. Bei großen Rassen kann morgens Weichfutter aus Schrot und Kartoffeln, abends dann Körnerfutter gereicht werden. Manche Züchter schwören auf strikte Körnerfütterung, das soll die Federstruktur festigen – belegt ist dies allerdings nicht. Grünabfälle aus dem Garten, besonders Salate, enthalten Vitamine sowie Spurenelemente und werden gerne verzehrt.

Ich wollte mit meinen Zeilen Bestandaufnahme, aber auch Lust machen, es einmal mit den aparten Rouenenten zu probieren. Sie freuen sich über jede neue Züchterin und jeden neuen Züchter.

Paul-Erwin Oswald

Paul-Erwin Oswald

Über den Author: Erzüchter der Altrheiner Elsterenten, Author zahlreicher Fachartikel zur Geflügelzucht und seit dem Jahr 2007 Vorsitzender vom Sonderverein der Entenzüchter Deutschlands e.V.

Zudem präsentiert er in seinem Gimbsheimer Entenmuseum Gemälde, Porzellanfiguren, Bücher, Zeitungen, Briefmarken und vieles mehr über die Entenzucht und somit auch einen großen Fundus für und vom Sonderverein der Entenzüchter.

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